2020 wird als eines der turbulentesten Jahre der Luftverkehrsbranche Geschichte machen, mit massiven Veränderungen des Passagieraufkommens weltweit aufgrund der COVID-19-Pandemie. Die zu Flugzeugfriedhöfen umfunktionierten Start- und Landebahnen haben uns die wirtschaftliche Anfälligkeit der Branche vor Augen geführt.
Nach den staatlich verordneten Reiseverboten und landesweiten Lockdowns im ersten Halbjahr hat sich das Passagieraufkommen noch nicht erholt. Die Zahlen der Sommermonate auf der nördlichen Hemisphäre stimmten zwar positiv, Ende November 2020 sanken sie jedoch wieder auf 48 % des des Vorjahresvolumens (Quelle: SITA). Um diese wirtschaftlichen Turbulenzen zu überstehen, ist es für die Fluggesellschaften enorm wichtig, das Vertrauen der Passagiere zurück zu gewinnen.
Grund zur Hoffnung
COVID-19 hat keine Weltgegend verschont. Im Westen kämpfen zahlreiche Ländern mit der zweiten Infektionswelle. Als Reaktion wurden in Großbritannien, Europa und Teilen der USA erneut strenge Kontaktbeschränkungen verhängt, sehr zum Leidwesen der gebeutelten Bürger und Geschäftsleute.
Obwohl die Aussichten für die Weihnachtssaison 2020 im Westen ernüchternd sind, stimmt 2021 diesbezüglich wieder optimistisch. Grund dafür sind brandneue Technologien und solche, die noch in Entwicklung sind. In der Wachstumsphase der letzten zehn Jahre wurden viele dieser Investitionen zurückgestellt, jetzt werden sie im Detail geprüft, um die COVID-19-Krise zu bewältigen.
Ab nächstem Jahr sollen Health ETAs (elektronisches System zur Reisegenehmigung) beispielsweise schon Auskunft über den Gesundheitszustand von Passagieren geben, soweit dies zur Einreise erforderlich ist. Mit der Bereitstellung der neuen Impfstoffe gegen COVID-19 werden die ETAs 2021 zum Standard werden.
Konsequentere Digitalisierung
Der neue Königsweg, um heil aus der Krise zu kommen, besteht darin, die Sicherheit und das Vertrauen der Passagiere zu stärken und Flughäfen und Flugbetrieb deutlich effizienter, adaptiver und smarter zu machen. In diese Richtung wurden bereits wichtige Schritte zurückgelegt.
2O20 gilt als das Jahr wirtschaftlicher Einbrüche und abgesagter Großveranstaltungen. Dabei sollten die branchenweiten Erfolge bei der Übernahme neuer Technologien nicht übersehen werden. Woher wir das wissen? Weil wir weltweit eng mit Kunden in der ganzen Luftverkehrsbranche zusammenarbeiten und sehen, dass sie aktiv technisch aufrüsten.
Ob Kopfgeräte für Thermalscans oder Social Distancing-Sensoren – Flughäfen haben neue Technologien integriert, die das Reiseerlebnis der Passagiere verändern. Das Tempo, mit dem Innovationen implementiert werden, ist hoch. Die Branche muss sich in den kommenden Jahren wandeln und zwar schneller, als sie dies bisher gewohnt war.
Die Pandemie hat gezeigt, wie wichtig Vertrauen ist. Die Branche muss das Vertrauen der Passagiere zurückgewinnen. Zugleich müssen Flughafen- und Fluglinienpersonal Vertrauen in die Maßnahmen fassen und sich bei der Arbeit geschützt fühlen.
David Lavorel, CEO von SITA AT AIRPORTS AND BORDERS, skizziert einen neuen Kurs für die Erholung der Luftfahrt 2021 und sagt voraus, dass die Branche intelligenter, sicherer und nachhaltiger arbeiten wird, zum Wohle der Menschen und des Planeten. Sechs Technologie-Trends werden diese Metamorphose ermöglichen.
I. Moderne Selbstbedienung und Biometrie
Das Erlebnis von Reisenden wird durch digitale und berührungslose Technik in mehreren Selbstbedienungsvorrichtungen optimiert (z. B. Gesichtserkennung). In weltweit führenden Flughäfen werden Automatisierung und Biometrie in ein paar Jahren nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel sein. SITA hat bereits mobile Biometrik in Form von Smart Path in Selbstbedienung eingeführt. Auch Abreiseformalitäten hat SITA in mehreren Flughäfen automatisiert, z. B. in Peking und Miami.
Passagiere legen den Weg vom Taxistand bis zum Flugzeug ohne Unterbrechung zurück, indem Sie das Gesicht als Bordkarte verwenden. Die einzelnen Kontrollschritte fügen sich nahtlos ineinander. Die effizientere Abfertigung verkürzt die Wartezeiten für alle Fluggäste und erlaubt ihnen mehr Social Distancing. Ein zentraler Vorteil ist in Zeiten von COVID-19 auch, dass keine Flughafenausstattung mehr berührt werden muss und somit die Ansteckungsgefahr deutlich reduziert wird. Auch an Bord wird für Vertrauen gesorgt: Für Passagiere werden zunehmend 4G-Datennetze und WLAN bereitgestellt, um unpersönliche Kontaktpunkte (wie Bildschirme in der Rückenlehne) überflüssig und Social Distancing einfacher zu machen.
Technologien wie SITA Smart Path dienen genau wie Biometrie und Automatisierung in der Passagierabfertigung dazu, die Effizienz und Sicherheit des Flughafen- und Fluglinienpersonals zu verbessern. Im November 2020 gaben SITA und Etihad bekannt, die Gesichtserkennung zu testen, um damit Besatzungsmitglieder zu identifizieren und zu authentifizieren. Dies ermöglichte ihnen den ganzen Check-in samt Sicherheitskontrollen digital am eigenen Mobilgerät durchzuführen. Die neue Initiative hat den Check-in an Automaten ersetzt, wo Besatzungsmitglieder sich mit ihrer Personalkarte authentifizieren mussten.
II. Innovative SDN und Entwicklung beim Flughafenbetrieb als Reaktion auf COVID-19
SITA Airport Management ist eine mögliche Technologie, die den Passagierfluss auf Schritt und Tritt verfolgt und daraufhin konkrete Einblicke in Echtzeit bereitstellt. So können Flughäfen erkennen, wohin sich Passagiere bewegen und Leitsysteme entwickeln. Die Personendichte muss proaktiv kontrolliert werden, genauso wie das Social Distancing im Tagesbetrieb und in der Planung auf lange Sicht.
Durch Informationstechnik (SITA Display System) können Flughäfen individuell angepasste SMS an Passagiere senden. Diese zusätzliche Ebene der Kommunikation bietet Passagieren auf dem Weg durch den Flughafen ein neues Maß an Komfort.
Flughafen-Innovationen im Bereich software-definierte Netzwerke (SDN) ermöglichen einen robusteren und agileren Betrieb, der sich flexibel an veränderliche Auslastungen während und nach der Pandemie anpassen lässt. Beispielsweise ermöglicht das SD-Portfolio von SITA mehreren Fluggesellschaften, Flugzeugabfertigern und anderen Mandanten, auf dieselbe virtuelle Infrastruktur in der Cloud zuzugreifen. Die Konnektivität kann so besser skaliert und agiler bereitgestellt werden. Das flexibel konfigurierbare SD-WAN-Portfolio SITA Connect SDN von Orange Business Services spart Kosten und hilft der Luftfahrtbranche dabei, Anwendungen in die Cloud zu verlagern.
III. Internet der Dinge, künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen
Das Internet der Dinge (IoT) war lange nicht mehr als ein Versprechen, das jetzt durch die Konvergenz von 5G, heranreifender künstlicher Intelligenz (KI) und die Allgegenwart nachgerüsteter Hardware-Sensoren immer mehr zu einer Realität wird. Das IoT verbindet die Daten von Geräten und Ressourcen, die so kommunizieren und den ganzen Flughafen effizienter machen. Zu Lösungen für Unternehmen, die das IoT und KI nutzen, gehören: Robotik, selbstfahrende Kraftfahrzeuge, maschinelles Sehen, Sprachassistenten, virtuelle Agenten und maschinelles Lernen.
Statt den Befehlen eines Programms zu folgen, erfassen Algorithmen maschinellen Lernens Muster und lernen, Prognosen und Empfehlungen abzugeben, indem Daten und Erfahrungen verarbeitet werden. Bereits heute werden vermehrt Echtzeitdaten eingesetzt, um intelligent auf Turbulenzen und meteorologische Veränderungen zu reagieren. Mit eWAS stellte SITA kürzlich eine Lösung in Aussicht, die Prognosen und satellitengestützte Beobachtungsdaten liefert und Crews in die Lage versetzt, das Vermeidbare zu vermeiden und wirtschaftliche, intelligentere und flexiblere Flugpläne zu erstellen.
Diese Technologien läuten möglicherweise so etwas wie eine vierte industrielle Revolution ein, in der alle Dinge um uns herum verbunden und intelligent sind. Unterdessen helfen sie aktuell dabei, dem drängenden Bedarf nach Hygiene, Social Distancing und automatisierten Prozessen im Kundendienst zu begegnen. KI-Algorithmen sind der Schlüssel zur Effizienz und raffinierte KI-Lösungen das Geheimrezept für Flughäfen. Flughäfen werden Analysen visualisieren und mit KI-basierten Empfehlungen ergänzen, um den Betrieb anhand von 3D-Simulationen in Echtzeit für alle Nutzergruppen zu animieren, effizienter zu machen und für Passagiere angenehmer zu gestalten.
IV. Entwicklung einer digitalen Identität für die Luftfahrt
Wir gehen davon aus, dass die Entwicklung einer digitalen Identität den traditionellen Reisepass in den kommenden Jahren ersetzen wird. Die ICAO und andere Branchenverbände testen und fördern aktuell einen Ansatz, der unter dem Namen Digital Travel Credential (DTC) bekannt ist.
Potenzial steckt auch in der Lösung Self-Sovereign Identity. Diese Identität gibt Reisenden die Kontrolle darüber, wie ihre personenbezogenen Daten weitergegeben und genutzt werden. Als Inhaber der Identität erhält man so die Möglichkeit, bei jeder Transaktion oder Interaktion nur erforderliche Daten preiszugeben, ist also viel flexibler und geschützter.
Die Nutzung selbstsouveräner Identitäten könnte die Kosten von Finanztransaktionen senken, die personenbezogenen Daten der Passagiere schützen, die Möglichkeiten für Cyberkriminalität einschränken und Probleme beim Identitätsnachweis in einer Vielzahl von Bereichen, darunter auf Reisen, im Gesundheits- und Bankwesen, in Bezug auf das Internet der Dinge und bei der Bekämpfung von Wahlbetrug, vereinfachen.
V. Impfvisa, Health ETAs und moderne Passagierabfertigung
Durch Health ETAs können Behörden die erforderlichen Daten empfangen, um die Ansteckungsgefahr durch Reisen und Tourismus zu verringern. Reisende sind verpflichtet, Gesundheitsdaten bereitzustellen, darunter ggf. auch PCR-Testergebnisse zum Nachweis von COVID-19-Antikörpern, und werden vorab darüber informiert, wie die Prüfung ausgefallen ist. So können Reisende darauf vertrauen, dass sie die Reise auch tatsächlich antreten können.
Durch Advance Passenger Processing (APP) lässt sich auch das gesundheitliche Risiko einschätzen und der Reiseantritt beim Check-in freigeben oder verweigern. In Verbindung mit Health ETAs können Echtzeitprüfungen durchgeführt werden, um zu bestätigen, dass jeder Reisende die erforderlichen Gesundheitstests absolviert hat und reiseberechtigt ist.
VI. Blockchain für Einsparungen im gesamten Luftverkehr
Es scheint fast so, als wäre Blockchain wie für die Luftfahrt gemacht. Blockchain ist ein sicherer Weg, Informationen zwischen den Akteuren der Branche auszutauschen. Worum es geht, ist, ein Faktum an einem bestimmten Punkt bereitzustellen, um damit Arbeitsabläufe und Datenaustausch zu erleichtern. Dieses vertrauenswürdige Netzwerk ist perfekt dazu geeignet, Antworten auf COVID-19 zu geben, ohne den Datenschutz oder das Reiseerlebnis zu beeinträchtigen.
PwC geht davon aus, dass die Luft- und Raumfahrtindustrie durch Blockchain bis zu 4 % bzw. 40 Mrd. USD Ertragssteigerungen erzielen und zugleich die Kosten für Wartung, Reparatur und Nachrüstung (MRO) weltweit um rund 5 % bzw. 3,5 Mrd. USD senken könnte. Gründe für die möglichen Einsparungen sind die sichere Dokumentspeicherung, die Gewährleistung von Vertraulichkeit und Datenschutz, bessere Einblicke in Reparaturzeiten und Bestand, automatisierte Arbeitsabläufe und effizienterer Datenabgleich.
2020 wurde Blockchain in dem Konzeptnachweis SITA Blockchain Alliance MRO eingesetzt, um einen digitalen Thread und einen digitalen Ausweis für jedes Flugzeugteil getrennt zu speichern und nachzuverfolgen. Der digitale Thread lieferte den Status in Echtzeit, die Produktkette und Angaben zum Hersteller sowie allen vormaligen Eigentümern des Flugzeugteils im Zeitverlauf. Wie ein Personalausweis macht der digitale Ausweis stichhaltige Angaben zur Identität eines Teils und enthält das Lufttüchtigkeitszeugnis als Eigentumsnachweis sowie andere unverzichtbare Daten.
Aus Passagiersicht sind Grenzformalitäten ein weiterer Bereich, in dem Blockchains Probleme lösen können. Flughäfen, Fluggesellschaften und Behörden können Gepäckdaten austauschen, um Gepäckstücke vor der Ankunft freizugeben, was weitere Kontrollen beim Transit überflüssig macht. Eine effizientere Gepäckausgabe und weniger Gepäckverlust dürften von Passagieren gut aufgenommen werden. Da dutzende Organisationen die Daten einzelner Passagiere verarbeiten müssen, ist COVID-19 in puncto Datenschutz ein echtes Minenfeld. Wichtige Daten sofort geschützt weitergeben zu können, wird Flugreisen für alle leichter, smarter und sicherer machen. Das stärkt das Vertrauen in den Flugverkehr und die Widerstandsfähigkeit der Luftfahrtbranche auf Jahre hinaus.